Musikproduktion

MADERA LIMPIA (auf Spanisch »reines Holz«) wurde Ende des 90er Jahre gegründet und entstand aus dem Experimentieren mit Holzinstrumenten und Rhythmen des Bandleaders Yasel Gonzalez Rivera aus Felicidad de Yateras, der Wiege des Changüis. Gerald Thomas Collymore kam später dazu und übernahm die Arragements und die Arbeit an der Struktur der Songs. Die Band wurde dem internationalen Publikum bekannt durch den Film und Soundtrack »Paraíso«, 2004 – von Alina Teodorescu und Sorin Dragoi. »Paraiso« ist eine poetisch-nostalgische Sicht auf das Leben in der unspektakulären Kleinstadt Guantanamo. Der Film portätiert die sieben Musiker in ihrem Alltagsleben, der Apathie und ihrer Suche nach einer unsicheren Zukunft in einem vergessenen Ort am Rande der Welt, jenseits der Globalisierung: »Es scheint doch wahr zu sein, ich versuche dir meine Wahrheit mitzuteilen, meine VERDAD GLOBAL, die mich benebelt. Meine Selbstachtung am Boden, wieder! Es macht mich krank, ich bin in einem Loch und bitte Gott, mich auf die Beine zu stellen … um mich wiederzufinden. Tödliche Langeweile …« singt Yasel in »Verdad Global«.

Mit dem Film kam der Soundtrack »Paraiso« heraus, der bald darauf für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert wurde. Der Film über die Stagnation bringt Madera Limpias Welt in der Bewegung und die Geschichte nimmt ihren Kurs: »Paraiso« bekommt internationale Preise und das Interesse an der Musik der Band wird geweckt: 2005 fand die erste Europatournee statt: ein Kulturschock – die Reise von der Entbehrung in den Überfluss. 2006 folgt eine weitere Tour. Madera Limpia nimmt jeden Input und Einfluss auf, geht zu Konzerten, kauft CDs, MP3 Player, Jeans und isst das in Cuba begehrte Rindfleisch. Nach drei Monaten Tour kommt die Frage: Was nun? Und wohin? Trotz aller Versuchungen kehren die sieben Musiker nach Cuba zurück. In ihrem Kopf die neue Idee: Eine Musik, die Vergangenheit oder das System nicht abstreitet, eine Musik die die neuen Erfahrungen aus Europa integriert: La Corona. Überzeugt, dass das eine Geschichte ist, die die sich der Welt zu erzählen lohnt, startet Alina Teodorescu ein neues Projekt – und produziert eine neues Musikalbum, aufgenommen in Santiago de Cuba und beendet in München. Im Sommer 2009 tourte Madera Limpia erneut durch Deutschland.

Guantánamo ist eine kleine Stadt im Südosten von Kuba. Kaum ein Tourist ist dort anzutreffen. Es gibt keine Sehenswürdigkeiten, keine Attraktionen, keine schönen Strände – diese, etwa 13 Meilen von der Stadt entfernt, sind unter US-amerikanischer Kontrolle und Standort der militärischen Basis Guantánamo Bay. Die Häuser im spanischen Kolonialstil verfallen, die Stimmung mutet orientalisch an. Dort scheint die Zeit still zu stehen: Hoffnungen schmelzen in der Nachmittagshitze, die turbulente Vergangenheit des Landes ist unter einem langen Schatten verborgen. Die Kommunikation mit der restlichen Welt ist schwierig; viele probieren ihr Glück in Havanna oder gehen gleich nach Miami oder Europa, um nie mehr wieder zurück zu kehren. Das ist die Heimat von Yasel und Gerald, die treibenden Kräfte von Madera Limpia. »Mein Rap ist der Ausdruck von dem, was junge Leute auf Kuba empfinden«, erklärt Yasel, »was sie erleben, was jeden Tag passiert«. Tirando con la cara erzählt von jungen Männern aus ländlichen Regionen, die als Strichjunge in Havanna enden. Zuhause erzählen sie von hübschen Häusern, obwohl sie in Dreckslöchern wohnen. Das dunkle Boca floja spricht ein sehr kubanisches Thema an: Spitzel regen gefährliche Gesprächsthemen in ihrer Nachbarschaft an und berichten dann der Polizei. Yasel und Gerald finden ihre Inspiration in ihrem täglichen Leben. En la esquina erzählt die Geschichte der permanenten Jagd nach Statussymbolen, um die Armut zu kompensieren. In Danza mulata sprechen sie über ihre eigenen Erfahrungen im Ausland und über die der Emigranten, die sie dort getroffen haben und die sich nach der Heimat sehnen. Über all dem erhebt sich La Corona mit ihren globalisierten Rhythmen, feiert das Leben und spornt an, die eigene Würde zu bewahren. Die musikalische Sprache von Madera Limpia wandelt die Liebe zur kubanischen Musik in eine globalisierte Jugendkultur um. Harte Perkussionen treffen auf melancholische Melodien von El Puro’s tres, hier und da übernimmt eine Tuba den Part des Basses (La lenta), und darüber legt sich der Flow von Yasel und Gerald, der sich mühelos zwischen Rap, Reggae/Dancehall und rootsigem Changui bewegt. »Rap und Reggae spielen gegen den Beat an«, erklärt Gerald, »das kommt vom Changui. Ich versuche, beides in einem Rhythmus zu verschmelzen, denn was dem Changui fehlt, findet man im Hip-Hop.« Gerald und Yasel haben schwer für ihr neues Album La Corona gekämpft. Sie fanden in der rumänischen Filmemacherin Alina Teodorescu – die heute in München lebt – eine Bewunderin, die an sie glaubte, den Dokumentarfilm Paraiso – eine Art Roadmovie über ihr Leben in Guantánamo – drehte und schließlich das Album produzierte. Und sie arbeiteten hart, um diese charakteristische Mischung aus akustischer Tradition und urbanem Latino Sound zu erlangen. Das Ergebnis, La Corona, ist der Beweis, dass das post-Buena-Vista Kuba lebendig ist, höchst tanzbar und gleichzeitig tief in der Tradition der kubanischen Musik verwurzelt. Im Jahre 2008 ist Guantánamo ein Teil des ausgebrannten Kubas, voller Ängste vor der Zukunft und Hoffnungen aus einer entfernten Vergangenheit. Doch nach zwei Europatourneen sind Yasel und Gerald immer noch – oder sogar noch mehr und viel bewusster – von ihrem Leben auf den Straßen ihrer Heimatstadt beeinflusst. Ihr Fazit ist überraschend: Bewahre die Ruhe und gib Deine Würde nie auf. Kämpfe für die Krone (La corona) der Wahrheit und Werte. Und beschütze sie. Das Leben von Madera Limpia im Kuba der heutigen Zeit ist eine Herausforderung, genauso wie sie es in ihrem letzten Song ahnen lassen: »Wenn alles schief geht, ist es nicht, weil das Leben zu Ende gegangen ist, es ist Zeit für einen Neuanfang, steh auf und gehe weiter.« (»El Ruego«).